
Von der Schiefertafel zum Tablet
65 Jahre Unterricht in der Mariengrundschule / Schulfest am kommenden Samstag
Marita Rinke
HEIDEN. Wenn in Heiden in diesen Tagen von der Marienschule die Rede ist, huscht so manchem Bürger ein versonnenes Lächeln übers Gesicht. Erinnerungen werden wach – manchmal auch geweckt, denn die Schule an der Lembecker Straße feiert am Samstag ihr 65-jähriges Bestehen.
„Wenn man heute jungen Leuten erzählt, wie das damals war, dann glauben die, man kommt von einem anderen Stern“, meint Siegfried Lukes. Als der heute 67-Jährige Abc-Schütze war, nannten die Heidener die Marienschule noch „die neue Schule“. Volksschule war diese damals. Eine Schule also, in der die ersten bis achten Jahrgänge unterrichtet wurden – und zwar nach Konfessionen streng getrennt.
„1951 hatte der Oberkreisdirektor die Genehmigung für den Neubau einer vierklassigen Volksschule in Heiden erteilt“, berichtet Birgit Möllers aus der Chronik. Seit zehn Jahren leitet sie die 1952 eingeweihte Schule. „Bis dahin besuchten Heidener Kinder unterschiedliche Volksschulen: die Georgschule an der Lembecker Straße, dort wo heute das Fitnessstudio ist, und die Schulen in Leblich und Nordick.“
Die Tatsache, dass evangelische und katholische Kinder unterm selben Dach unterschiedliche Schulen besuchten, „das war für uns normal“, erinnert sich Siegfried Lukes. Seine Enkelin Frieda lernt heute dort Rechnen und Schreiben, wo auch er einst die Schulbank drückte. Und damals sei die Schulbank auch tatsächlich eine Bank gewesen.
Arbeiten und lernen Frieda und ihre Freunde heute mit Tablets und Laptops, so gehörte für ihren Opa noch die Schiefertafel und der hölzerne Griffelkasten zur Grundausstattung. „Und den Rohrstock des Direktors“ habe er auch noch kennengelernt, berichtet Lukes.
Immer wieder platzte die Marien-Volksschule aus ihren Nähten. 1958 bereits wurde angebaut, 1965 wurde außerdem die Ludgerusschule als weitere neue Schule eingeweiht. In dieser wurden laut Möllers fortan die ersten bis sechsten Jahrgänge unterrichtet. Die siebten bis achten und später dann auch die neunten Jahrgänge blieben im Gebäude an der Lembecker Straße, das 1974 erneut erweitert wurde.
Ab dem Schuljahr 1975/76 wurde in NRW zwischen Haupt- und Grundschule unterschieden. „Seither besuchen ausschließlich Erst- bis Viertklässler die Marienschule“, berichtet Möllers. Zu Spitzenzeiten Mitte der 1970er Jahre seien es 528 Grundschüler gewesen. Aktuell weit Möllers’ Statistik 312 Mädchen und Jungen aus, davon 16 Flüchtlingskinder.
Gewandelt hat sich mit den Jahren auch der Alltag der Grundschüler. Bis Mitte der 1980er Jahre beispielsweise diskutierten Schulleitung und Eltern noch über die Anzahl ihrer schulfreien Samstage. Seit 1997 gibt es die Über-Mittag-Betreuung (ÜMi) und seit 2006 das Angebot des Offenen Ganztag. „Schule wird für die Kinder immer mehr zum Lebensraum, mit dem sie sich identifizieren“, beobachtet die Schulleiterin, die weiß, dass die Grundschulzeit für Kinder prägende Jahre sind.
„Viele wichtige Merkmale“ zeichnen laut Möllers die Marien-Grundschule aus. Als Beispiel verweist sie auf das gemeinsame Lernen, auch mit Kindern mit Beeinträchtigungen oder Behinderungen (seit 1996), die vor drei Jahren gegründete Orchesterschule in Kooperation mit dem Musikverein Heiden und – nicht zu vergessen – die Freundschaft mit Heidens Partnergemeinde St. George in Uganda. Eigens zum Schul-Geburtstag am Samstag sind Gäste aus Makukuulu gestern nach Heiden gekommen. Sie möchten mitfeiern.
Borkener Zeitung, 01. Juni 2016
Zum Thema: Schulfest
Um 10.30 Uhr beginnt das Fest am 4. Juni mit einem ökumenischen Gottesdienst. Bis 15.30 Uhr präsentieren Kinder Schulgeschichte „gestern – heute – morgen“. Ferner musiziert die Orchesterschule in der Turnhalle, Doskerkerls zeigen von 12 bis 14 Uhr landwirtschaftliche Geräte, die Musikkapelle gibt um 12.30 Uhr ein Platzkonzert, und ab 14 Uhr erklingen „Spaghettisongs“ und Melodien aus dem Musical „Die Regenblume“.
Zum Thema: Evangelische Schule
Selbst für diejenigen, die es erlebt haben, ist es heute unvorstellbar: Bis 1968 wurden unter dem Dach der Marienschule katholische und evangelische Schüler streng getrennt voneinander unterrichtet. Jede Konfession hatte ihren eigenen Schulleiter, eigene Lehrer, Räume und sogar Toiletten. „In der evangelischen Volksschule wurden damals etwa 40 Kinder von der ersten bis zur achten Klasse in einem Raum unterrichtet“, erinnert sich Hinrich Petersen. Als Junglehrer hatte er deren Leitung 1963 übernommen. Lediglich zwei Ausnahmen seien bei der Trennung gemacht worden: „Die älteren Schülerinnen durften dienstags am Handarbeitsunterricht der katholischen Schule teilnehmen. Allerdings: Sie mussten dazu Rock tragen und nicht die beliebten Hosen“, berichtet Petersen. Die zweite Ausnahme: „Der Schulleiter lud mich in den Pausen in sein Lehrerzimmer ein.“